Die Persönlichkeitsdiagnostik ist eines der spannendsten Themen der Psychologie. Es geht darum, herauszufinden, wer wir wirklich sind, was uns antreibt und wie wir uns in verschiedenen Situationen verhalten. Aber wie kann man so etwas Komplexes wie die Persönlichkeit messen? In diesem Blogpost werde ich dir einen Überblick darüber geben, wie Persönlichkeitsdiagnostik funktioniert, welche Verfahren es gibt, und wie diese in der Praxis eingesetzt werden.
Was ist Persönlichkeitsdiagnostik?
Die Persönlichkeitsdiagnostik beschäftigt sich mit der Messung und Erfassung von stabilen Persönlichkeitsmerkmalen. Während es in der Leistungsdiagnostik oft um messbare Fähigkeiten wie Intelligenz oder Konzentration geht, konzentriert sich die Persönlichkeitsdiagnostik auf stabile Muster des Denkens, Fühlens und Verhaltens, die eine Person über längere Zeiträume hinweg auszeichnen. Diese Merkmale können z. B. Eigenschaften wie Extraversion, Neurotizismus oder Gewissenhaftigkeit umfassen.
Die Persönlichkeitsdiagnostik kann mit verschiedenen Verfahren durchgeführt werden, darunter:
- Selbstbeschreibungsverfahren wie Fragebögen
- Fremdbeschreibungsverfahren, bei denen andere Personen die Testperson einschätzen
- Projektive Verfahren, bei denen die Testperson auf mehrdeutige Reize reagiert und unbewusste Motive offengelegt werden sollen
Laut dem Buch von Rentzsch und Schütz (Kapitel 3.3, Seiten 77-82) sind all diese Verfahren auf die Erfassung stabiler Persönlichkeitsmerkmale ausgelegt. Lass uns einen genaueren Blick auf die wichtigsten Verfahren werfen.
Verfahren der Persönlichkeitsdiagnostik
Selbstbeschreibungsverfahren
Die wohl bekannteste Methode der Persönlichkeitsdiagnostik sind Selbstbeschreibungsverfahren, bei denen die Testperson Fragen zu ihrem eigenen Verhalten und Erleben beantwortet. Ein Beispiel hierfür ist das NEO-Fünf-Faktoren-Inventar (NEO-FFI), das die fünf großen Persönlichkeitsfaktoren erfasst: Extraversion, Neurotizismus, Offenheit für Erfahrungen, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit.
Bei diesen Verfahren handelt es sich um standardisierte Fragebögen, bei denen die Testperson Aussagen wie „Ich rede gerne vor einer Gruppe von Menschen“ auf einer Skala von „stimme gar nicht zu“ bis „stimme völlig zu“ bewertet. Die Antworten werden dann genutzt, um ein Persönlichkeitsprofil zu erstellen.
Beispiel: NEO-FFI
Nehmen wir an, du möchtest herausfinden, wie extrovertiert du bist. In einem Fragebogen wie dem NEO-FFI würdest du auf Aussagen antworten wie „Ich genieße es, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen“. Deine Antworten auf diese Fragen würden dann zu einem Score zusammengefasst, der anzeigt, wo du im Vergleich zur Normgruppe in Bezug auf Extraversion stehst.
Diese Selbstbeschreibungsverfahren haben den Vorteil, dass sie relativ einfach durchzuführen und auszuwerten sind. Sie sind zudem hoch standardisiert, was ihre Zuverlässigkeit erhöht.
Fremdbeschreibungsverfahren
Fremdbeschreibungsverfahren sind eine Ergänzung zu Selbstbeschreibungen. Hier werden andere Personen – zum Beispiel Freunde, Kollegen oder Familienmitglieder – gebeten, die Persönlichkeit der Testperson zu beschreiben. Diese Verfahren sind besonders nützlich, wenn man herausfinden möchte, wie eine Person von ihrer Umwelt wahrgenommen wird.
Der Vorteil von Fremdbeschreibungen ist, dass sie einen anderen Blickwinkel auf die Persönlichkeit einer Person bieten. Während eine Selbstbeschreibung auf der eigenen Wahrnehmung basiert, geben Fremdbeschreibungen Aufschluss darüber, wie sich die Person in sozialen Kontexten verhält.
Projektive Verfahren
Projektive Verfahren sind eine ganz andere Art der Persönlichkeitsdiagnostik. Bei diesen Tests werden der Testperson mehrdeutige Stimuli gezeigt, auf die sie frei reagieren soll. Ein klassisches Beispiel ist der Rorschach-Test, bei dem Personen Tintenklecksbilder gezeigt werden und sie beschreiben sollen, was sie darin sehen. Die Idee ist, dass Menschen in diese Bilder ihre unbewussten Gedanken und Gefühle „projizieren“.
Projektive Verfahren werden oft in der klinischen Psychologie eingesetzt, um tieferliegende, oft unbewusste Persönlichkeitsaspekte zu erfassen. Sie sind jedoch auch umstritten, da ihre Objektivität und Reliabilität im Vergleich zu standardisierten Fragebögen geringer ist.
Normorientierte vs. kriterienorientierte Diagnostik
In der Persönlichkeitsdiagnostik werden Testresultate in der Regel entweder normorientiert oder kriterienorientiert ausgewertet.
- Bei der normorientierten Diagnostik wird das Testergebnis einer Person mit den Ergebnissen einer Normgruppe verglichen. Ein Beispiel wäre ein Persönlichkeitstest, bei dem du erfährst, ob du extravertierter bist als die Mehrheit der Bevölkerung.
- Bei der kriterienorientierten Diagnostik wird das Testergebnis nicht mit einer Normgruppe verglichen, sondern es werden bestimmte Kriterien oder Schwellenwerte gesetzt, um eine Aussage zu treffen. Diese Methode ist besonders in der klinischen Diagnostik nützlich, um festzustellen, ob eine Person z. B. ein klinisch relevantes Maß an Neurotizismus aufweist.
Beispiel: Normorientierte Persönlichkeitsdiagnostik
Stell dir vor, du machst einen Test, der deine Gewissenhaftigkeit misst. Dein Ergebnis wird mit den Ergebnissen von 1000 anderen Personen verglichen, die den gleichen Test gemacht haben. Du erfährst, dass du zu den 20% gehörst, die am gewissenhaftesten sind. Das ist ein typisches Beispiel für normorientierte Diagnostik, bei der dein Testergebnis im Vergleich zu einer großen Normstichprobe interpretiert wird.
Verfälschbarkeit und Reaktivität
Ein zentrales Problem bei der Persönlichkeitsdiagnostik ist die Verfälschbarkeit. Da die meisten Tests auf Selbstbeschreibungen beruhen, besteht die Möglichkeit, dass Personen ihre Antworten „schönfärben“, insbesondere in Kontexten wie der Personalauswahl, wo ein gutes Testergebnis zu einem Jobangebot führen könnte.
Ein weiteres Problem ist die Reaktivität, die besagt, dass Personen ihr Verhalten ändern, wenn sie wissen, dass sie getestet werden. Dies kann dazu führen, dass die Ergebnisse der Tests nicht das tatsächliche Verhalten der Person widerspiegeln.
Beispielberechnungen in R
Für Persönlichkeitsdiagnostik kommen häufig Fragebögen zum Einsatz, bei denen verschiedene Dimensionen (z. B. die fünf großen Persönlichkeitsfaktoren) mit Skalenwerten dargestellt werden. Hier ist ein Beispiel, wie du die Daten eines Persönlichkeitsfragebogens in R analysieren kannst.
RCopy code# Angenommen, wir haben eine Datenreihe von NEO-FFI Scores für Extraversion
extraversion_scores <- c(45, 52, 48, 60, 55, 63, 49, 57, 54, 62)
# Berechne den Mittelwert und die Standardabweichung
mean_extraversion <- mean(extraversion_scores)
sd_extraversion <- sd(extraversion_scores)
# Ausgabe
cat("Der Mittelwert der Extraversion Scores beträgt:", mean_extraversion, "\n")
cat("Die Standardabweichung der Extraversion Scores beträgt:", sd_extraversion, "\n")
Das Skript zeigt dir, wie du den Mittelwert und die Standardabweichung der Extraversion Scores berechnen kannst. Solche Berechnungen helfen, die Daten der Persönlichkeitsdiagnostik besser zu verstehen und in Kontext zu setzen.
Fazit
Die Persönlichkeitsdiagnostik bietet einen faszinierenden Einblick in die menschliche Psyche. Ob durch Selbstbeschreibungen, Fremdbeschreibungen oder projektive Verfahren – diese Methoden helfen uns, die stabilen Merkmale einer Person zu erfassen, die sie über lange Zeiträume hinweg auszeichnen. Es ist wichtig, bei der Interpretation der Testergebnisse immer den Kontext im Auge zu behalten und sich der möglichen Verzerrungen durch Verfälschung oder Reaktivität bewusst zu sein.
Mit standardisierten Tests und modernen statistischen Methoden wie der Datenanalyse in R können wir heute Persönlichkeitsmerkmale auf hohem wissenschaftlichem Niveau erfassen und auswerten. Dabei bleibt jedoch immer ein Rest an Unsicherheit – schließlich ist die Persönlichkeit eines Menschen nicht immer so leicht in Zahlen zu fassen.