Ein Fragebogen ist eine standardisierte Zusammenstellung von Items (Fragen), die darauf abzielen, ein latentes Konstrukt zu erfassen, das nicht direkt beobachtbar ist. Beispiele für solche Konstrukte sind Einstellungen, Meinungen oder Fähigkeiten. Ein analoges Beispiel sind schriftliche Prüfungen, bei denen man versucht, Wissen oder Kompetenz durch standardisierte Verfahren zu ermitteln.
Stärken eines Fragebogens:
- Quantifizierbare Ergebnisse: Die standardisierte Struktur erlaubt es, Ergebnisse in numerischer Form auszudrücken, was Vergleiche und statistische Analysen erleichtert.
- Repräsentative Ergebnisse: Wenn der Fragebogen sorgfältig geplant und die Stichprobe richtig gezogen wird, können die Ergebnisse als repräsentativ gelten.
- Vergleichbarkeit: Da alle Befragten die gleichen Fragen beantworten, sind die Antworten vergleichbar.
Schwächen eines Fragebogens:
- Begrenzte Flexibilität: Ein Fragebogen erfasst nur das, was vorher festgelegt wurde. Es gibt kaum Raum, auf individuelle Unterschiede einzugehen.
- Keine Möglichkeit für Rückfragen: Im Gegensatz zu qualitativen Interviews gibt es keine Möglichkeit, auf Unklarheiten oder Missverständnisse direkt einzugehen.
Einflussfaktoren auf die Fragebogenkonstruktion
- Forschungsfrage und Hypothesen: Der Fragebogen sollte so konzipiert werden, dass er die Forschungsfrage präzise adressiert.
- Befragungsart: Je nach Medium (schriftlich, online, telefonisch) müssen bestimmte Anpassungen vorgenommen werden, z.B. in der Reihenfolge der Fragen.
- Stichprobenziehung: Der Auswahlprozess der Teilnehmer beeinflusst die Generalisierbarkeit der Ergebnisse.
- Pre-Tests: Vor der endgültigen Durchführung sollten Pre-Tests durchgeführt werden, um Probleme in der Verständlichkeit oder der Antwortlogik zu erkennen.
Befragungsarten und Antwortformate
Befragungsarten:
- Schriftlich (Paper oder Online)
- Telefonisch
- Persönlich (face-to-face)
Jede Methode hat Vor- und Nachteile in Bezug auf Kosten, Zeit, Anonymität und Datenqualität.
Antwortformate:
- Freies Antwortformat: Befragte können ihre Antwort frei formulieren.
- Gebundenes Antwortformat: Befragte wählen aus vorgegebenen Antwortmöglichkeiten, z.B. Likert-Skala (z.B. 1=stimme gar nicht zu, 5=stimme voll zu).
Ein Beispiel für eine geschlossene Frage könnte lauten:
- „Wie zufrieden bist du mit deiner aktuellen Wohnsituation?“ (1 = gar nicht zufrieden, 5 = sehr zufrieden)
Eine offene Frage könnte sein:
- „Was würdest du an deiner Wohnsituation gerne ändern?“
Kriterien für gute Fragen
- Eindeutigkeit: Fragen sollten klar und unmissverständlich formuliert sein.
- Präzision: Kurze Fragen sind besser, um Missverständnisse zu vermeiden.
- Verständlichkeit: Die Fragen sollten für die Zielgruppe verständlich sein.
Ein weiterer wichtiger Punkt aus Deinen Notizen ist die Wiederverwendung bereits existierender und validierter Skalen aus der wissenschaftlichen Literatur. Dies spart Ressourcen und erhöht die Vergleichbarkeit der Ergebnisse.
Skalenenenwicklung
Items und Skalenkonstruktion
Ein Item ist die kleinste Einheit in einem Fragebogen und setzt sich aus dem Itemstamm (die Frage oder Aufgabe) und dem Antwortformat zusammen. Der Itemstamm beschreibt, worum es in der Frage geht, während das Antwortformat definiert, wie die Befragten antworten können. Diese beiden Elemente sind entscheidend für die Qualität der Daten, die du am Ende erhältst.
Aufbau eines Items
Ein gutes Item sollte klar und verständlich formuliert sein. Hier sind einige typische Komponenten:
- Itemstamm: Die eigentliche Frage oder Aussage, z.B.: „Wie stark stimmst du der Aussage zu: ‚Ich fühle mich in meiner aktuellen Wohnsituation wohl‘?“
- Antwortformat: Hier wird festgelegt, wie die Befragten antworten. Es gibt offene und geschlossene Antwortformate.
Beispiele für Antwortformate:
- Offene Frage: Die Befragten können frei formulieren. Beispiel: „Was würdest du an deiner Wohnsituation ändern?“
- Geschlossene Frage: Die Befragten wählen aus vorgegebenen Kategorien. Beispiel: „Wie zufrieden bist du mit deiner Wohnsituation?“ (1 = gar nicht zufrieden, 5 = sehr zufrieden)
Skalenkonstruktion
Die Wahl der richtigen Skala ist entscheidend für die Qualität der Messung. Häufig verwendet werden Likert-Skalen, Guttman-Skalen und Thurstone-Skalen, je nach Forschungsziel und Art des Konstrukts.
Likert-Skala
Die Likert-Skala ist eine der am häufigsten verwendeten Skalen in der Umfrageforschung. Sie misst Einstellungen oder Meinungen, indem den Befragten eine Aussage vorgelegt wird, zu der sie auf einer abgestuften Skala ihre Zustimmung oder Ablehnung ausdrücken.
Beispiel für eine Likert-Skala:
- „Wie stark stimmst du der Aussage zu: ‚Ich fühle mich in meiner aktuellen Wohnsituation wohl‘?“
- 1 = Stimme gar nicht zu
- 2 = Stimme eher nicht zu
- 3 = Neutral
- 4 = Stimme eher zu
- 5 = Stimme voll zu
Die Likert-Skala ermöglicht es, feine Unterschiede in den Meinungen oder Einstellungen der Befragten zu erfassen. Wichtig ist, dass die Skala entweder gerade (z.B. 4-Punkte, ohne neutrale Mitte) oder ungerade (z.B. 5-Punkte, mit neutraler Mitte) sein kann. Ungerade Skalen erlauben eine neutrale Antwortoption, während gerade Skalen die Befragten dazu zwingen, eine Tendenz zu zeigen.
Guttman-Skala
Die Guttman-Skala ist weniger verbreitet, aber nützlich, wenn du eine hierarchische Ordnung der Items wünschst. Hier sollen die Befragten bei einem Item, das ein hohes Maß an Zustimmung erfordert, auch allen vorhergehenden Items zustimmen.
Beispiel für eine Guttman-Skala:
- „Ich lese manchmal wissenschaftliche Artikel.“
- „Ich lese häufig wissenschaftliche Artikel.“
- „Ich diskutiere oft wissenschaftliche Artikel mit Kollegen.“
Thurstone-Skala
Bei der Thurstone-Skala werden die Befragten einer Reihe von Aussagen mit unterschiedlichen Intensitäten präsentiert. Diese Aussagen sind von Experten vorab bewertet worden, und die Befragten wählen die Aussagen, denen sie zustimmen. Die Auswertung erfolgt durch die Gewichtung der Zustimmung zu bestimmten Aussagen.
Antwortskalen: Feinheiten und Besonderheiten
Die Wahl der Antwortskala beeinflusst, wie gut du das Konstrukt messen kannst:
- Verbalisiert vs. Entpunktbenannt: Verbalisierte Skalen geben den Befragten eine klarere Vorstellung, während entpunktbenannte Skalen nur die Extreme benennen (z.B. 1 = „gar nicht“, 5 = „sehr“).
- Gerade vs. Ungerade Skalen: Wie oben erwähnt, bieten gerade Skalen keine neutrale Antwortoption, während ungerade Skalen eine neutrale Mitte bieten.
- Breite der Skala: Zu breite Skalen (z.B. 1 bis 10) können die Befragten überfordern und zu einer Scheinpräzision führen, während zu enge Skalen (z.B. 1 bis 3) kaum Differenzierung erlauben.
Beispielhafte Analyse in R
Um die Itemstruktur und die Skalenkonstruktion in R zu analysieren, kannst du z.B. Cronbach’s Alpha zur Messung der internen Konsistenz verwenden:
# Installiere das "psych"-Paket, falls noch nicht vorhanden
install.packages("psych")
library(psych)
# Beispiel-Daten für 5 Likert-Items, beantwortet von 10 Personen
daten <- data.frame(
Item1 = c(4, 5, 3, 2, 4, 5, 1, 3, 4, 2),
Item2 = c(5, 5, 4, 3, 4, 4, 2, 3, 4, 3),
Item3 = c(4, 4, 3, 3, 4, 5, 1, 3, 4, 2),
Item4 = c(3, 4, 3, 3, 4, 4, 2, 3, 4, 3),
Item5 = c(4, 5, 4, 4, 5, 5, 2, 3, 4, 3)
)
# Cronbach's Alpha zur Überprüfung der internen Konsistenz
alpha(daten)
Dieser Code berechnet den Cronbach’s Alpha Wert, der zeigt, wie konsistent die Befragten auf verschiedene Items einer Skala geantwortet haben.
Mit einer klaren Struktur von Items und einer gut durchdachten Skalenkonstruktion kannst du sicherstellen, dass dein Fragebogen valide und reliabel ist und die gewünschten Daten effektiv erfasst.
Umsetzung in der Umfragesoftware Unipark
Fazit
Bei der Erstellung eines Fragebogens ist es entscheidend, sowohl die inhaltlichen als auch die methodischen Aspekte sorgfältig zu planen. Durch die Berücksichtigung der genannten Punkte kann ein gut strukturierter und verlässlicher Fragebogen entwickelt werden, der wertvolle Daten für die quantitative Forschung liefert.