Wenn du dich schon mal gefragt hast, wie Psychologen herausfinden, was in einer Person vorgeht, dann hast du vielleicht schon von diagnostischen Verfahren gehört. Das sind wissenschaftlich fundierte Methoden, um das Verhalten, die Emotionen und die Denkprozesse eines Menschen zu erfassen. In diesem Blogpost schauen wir uns an, welche Arten von diagnostischen Verfahren es gibt, wie sie sich unterscheiden, und wie man sie anwendet.
Generelle Strategien
In der Diagnostik lassen sich zwei grundlegende Ansätze unterscheiden: die individuelle und die institutionelle Diagnostik. Während die individuelle Diagnostik auf den einzelnen Menschen zugeschnitten ist und spezifische Fragestellungen klärt, befasst sich die institutionelle Diagnostik häufig mit wiederkehrenden, standardisierten Fragen, beispielsweise in der Personalauswahl oder Leistungsbewertung.
Ein weiteres wichtiges Unterscheidungsmerkmal liegt in den angewandten Strategien. Selektionsstrategien fokussieren sich auf die Auswahl von Personen oder Bedingungen, wohingegen Modifikationsstrategien darauf abzielen, Verhalten oder Bedingungen gezielt zu verändern.
In der Praxis kommt es häufig zu Mischstrategien, bei denen beide Ansätze kombiniert werden, um ein umfassenderes Bild zu erhalten und optimale Entscheidungen zu treffen.
Man kann auch zwischen Statusdiagnostik und Prozessdiagnostik unterscheiden. Hier ist auch der Querbezug zur Diskussion zwischen Dispositionismus (Fokus auf Eigenschaften) und Situationismus (Fokus auf Zuständen) zu beachten.
Insbesondere bei der Auswertung und Interpretation wird auch relevant, womit ien Testergebnis verglichen wird. Dazu kommen vor allem eine Eichstichprobe (normorientierte Diagnostik) oder ein Kriterium (theoretischer Cut-Off Wert) in Frage.
Strategien in der Diagnostik: Individualdiagnostik vs. institutionelle Diagnostik
Ein entscheidendes Konzept in der Diagnostik ist die Unterscheidung zwischen Individualdiagnostik und institutioneller Diagnostik.
Individualdiagnostik richtet sich auf den einzelnen Fall und verfolgt einen maßgeschneiderten Ansatz, der auf die spezifischen Bedürfnisse und Merkmale der zu diagnostizierenden Person eingeht. Hier wird der gesamte diagnostische Prozess auf die Einzelperson abgestimmt, wie zum Beispiel bei der Auswahl eines geeigneten Bildungsweges für ein Kind.
Institutionelle Diagnostik hingegen ist darauf ausgelegt, häufig wiederkehrende Fragestellungen innerhalb von Institutionen zu bearbeiten. In Schulsystemen oder im Arbeitskontext werden beispielsweise standardisierte Leistungstests eingesetzt, um regelmäßig wiederkehrende, organisatorisch relevante Informationen zu erfassen. Diese Verfahren sind weniger individualisiert und folgen meist einem festgelegten Ablauf, wie etwa bei allgemeinen Gesundheitschecks im betrieblichen Kontext oder bei standardisierten Eignungstests.
Selektions- vs. Modifikationsstrategien
Je nach diagnostischem Ziel lassen sich Verfahren in Selektions- und Modifikationsstrategien unterteilen.
- Selektionsstrategien zielen darauf ab, zwischen mehreren Optionen zu wählen, wie beispielsweise bei der Auswahl von Personal für eine bestimmte Position. Hier geht es um die Frage, welche Person am besten zur Organisation passt.
- Modifikationsstrategien hingegen sind auf Veränderung und Weiterentwicklung ausgerichtet. Sie werden häufig in der Therapie oder im Coaching verwendet, um bestimmte Verhaltensweisen oder Denkweisen zu fördern oder zu modifizieren.
Zusätzlich zu den Selektions- und Modifikationsstrategien gibt es in der Diagnostik den Unterschied zwischen Status- und Prozessdiagnostik. Während die Statusdiagnostik den Ist-Zustand einer Person erfasst und damit eine Momentaufnahme darstellt, beschäftigt sich die Prozessdiagnostik mit der Veränderung über die Zeit hinweg. Besonders in der klinischen und pädagogischen Psychologie wird Prozessdiagnostik genutzt, um Fortschritte und Entwicklungen zu beobachten und gezielt darauf einzugehen.
Theoretische Grundkonzepte: Trait- vs. State-Ansatz
Ein grundlegendes Konzept in der Diagnostik ist die Unterscheidung zwischen Traits (stabilen Merkmalen) und States (variablen Zuständen). Diese Unterscheidung hilft zu verstehen, ob Eigenschaften einer Person als stabile, überdauernde Merkmale betrachtet werden sollten oder als fluktuierende Zustände, die von der Situation abhängig sind. Diese Differenzierung ist vor allem in der Forschung und der praktischen Anwendung von Bedeutung, um die Ergebnisse entsprechend zu interpretieren.
Was sind diagnostische Verfahren?
In der Psychologie werden diagnostische Verfahren eingesetzt, um Informationen über eine Person zu sammeln, sei es zu Forschungszwecken oder in der klinischen Praxis. Dabei unterscheidet man zwischen verschiedenen Arten von Verfahren, je nachdem, was genau gemessen werden soll und wie diese Messungen durchgeführt werden.
In der Literatur findest du eine gängige Einteilung diagnostischer Verfahren. Diese umfasst die Unterteilung in:
- Leistungstests vs. Persönlichkeitsfragebogen
- Quantitative vs. Qualitative Verfahren
- Psychometrische vs. Projektive Verfahren
Leistungstests vs. Persönlichkeitsfragebogen
Ein wesentlicher Unterschied liegt darin, ob ein Test die Leistungsfähigkeit oder die Persönlichkeit einer Person erfassen soll.
- Leistungstests (z. B. Intelligenztests) messen die Fähigkeit einer Person, bestimmte Aufgaben zu lösen. Ein bekanntes Beispiel ist der Intelligenz-Struktur-Test (IST 2000 R), der verschiedene kognitive Fähigkeiten misst. Hierbei werden Aufgaben gestellt, bei denen der Testteilnehmer Probleme lösen oder logische Schlüsse ziehen muss. Die Ergebnisse werden dann mit einer Normgruppe verglichen, um festzustellen, wie gut die Person im Vergleich zu anderen abschneidet.
- Persönlichkeitsfragebogen hingegen basieren auf Selbstberichten und erfassen stabile Persönlichkeitsmerkmale. Bekannte Beispiele sind das NEO-FFI (ein Fragebogen zum Messen der fünf großen Persönlichkeitsfaktoren wie Neurotizismus, Extraversion und Offenheit für Erfahrungen). Diese Tests verlangen von den Teilnehmern, Aussagen über ihr Verhalten und ihre Gefühle zu bewerten, z. B. wie stark sie bestimmten Aussagen zustimmen oder sie ablehnen.
Quantitative vs. Qualitative Verfahren
Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist der Grad an Strukturierung und die Art der Auswertung.
- Quantitative Verfahren sind stark strukturiert und liefern messbare Ergebnisse. Beispiele hierfür sind standardisierte Tests, bei denen es um das Erfassen konkreter Werte geht, wie beispielsweise bei einem IQ-Test. Diese Werte können dann statistisch ausgewertet und mit Normdaten verglichen werden. Das Ziel ist es, objektive, generalisierbare Aussagen über die getestete Person zu treffen.
- Qualitative Verfahren sind hingegen weniger strukturiert und lassen mehr Raum für Interpretation. Hierbei stehen offene Gespräche, Interviews oder auch projektive Verfahren (wie der Rorschach-Test) im Vordergrund, die versuchen, die subjektiven Erfahrungen der Person zu verstehen. In diesen Verfahren kommt es weniger auf exakte Zahlen an, sondern darauf, wie eine Person bestimmte Reize oder Fragen interpretiert.
Psychometrische vs. Projektive Verfahren
Bei der Unterscheidung zwischen psychometrischen und projektiven Verfahren geht es um den Grad der Standardisierung und Objektivität.
- Psychometrische Tests zeichnen sich durch ihre hohe Objektivität und Reliabilität aus. Diese Tests sind so konzipiert, dass sie reproduzierbare Ergebnisse liefern und die Ergebnisse statistisch gut überprüfbar sind. Ein Beispiel ist der Beck-Depressions-Inventar (BDI-II), der den Schweregrad einer Depression quantifiziert. Die Testpersonen beantworten Fragen, und basierend auf den Ergebnissen wird eine Diagnose gestellt.
- Projektive Verfahren arbeiten hingegen mit weniger strukturierten Aufgaben und gehen davon aus, dass Menschen auf diese Weise unbewusste Anteile ihrer Persönlichkeit offenbaren. Ein klassisches Beispiel ist der Rorschach-Test, bei dem die Testperson Tintenflecke interpretieren muss. Die Idee ist, dass diese Interpretationen Rückschlüsse auf die inneren Konflikte oder verborgenen Wünsche der Person zulassen.
Wie werden diese Verfahren in der Praxis angewendet?
Je nachdem, welches Ziel die psychologische Untersuchung verfolgt, kommen unterschiedliche diagnostische Verfahren zum Einsatz. In der Praxis wird oft eine Kombination aus verschiedenen Verfahren genutzt, um ein umfassendes Bild der getesteten Person zu erhalten. Zum Beispiel könnten in einer klinischen Diagnostik sowohl Leistungstests als auch Persönlichkeitsfragebogen eingesetzt werden, um herauszufinden, ob eine Person unter einer psychischen Störung leidet und wie ausgeprägt diese ist.
Beispiel: Intelligenzdiagnostik mit dem IST 2000 R
Der IST 2000 R ist ein klassischer Intelligenztest, der verschiedene kognitive Fähigkeiten misst, wie z. B. logisches Denken und räumliches Vorstellungsvermögen. Angenommen, du möchtest herausfinden, wie gut du darin bist, logische Schlüsse zu ziehen, dann könntest du einen Abschnitt des IST 2000 R durchführen, der genau diese Fähigkeit misst. Du müsstest eine Reihe von Aufgaben lösen, bei denen du erkennst, welche Figur in eine Reihe passt oder welches Muster das nächste in einer Abfolge ist.
Beispiel: Persönlichkeitsdiagnostik mit dem NEO-FFI
Stell dir vor, du möchtest herausfinden, wie extrovertiert oder neurotisch du bist. Dann könntest du einen Test wie das NEO-FFI durchführen. Du würdest Fragen beantworten, wie: „Ich genieße es, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen“ oder „Ich mache mir oft Sorgen“. Auf Grundlage deiner Antworten würde dir der Test zeigen, wo du auf der Skala der Extraversion und anderer Persönlichkeitsdimensionen liegst.