Wenn deine Arbeit Daten erhoben und ausgewertet hat, gibt es in deiner Abschlussarbeit zwei Kapitel, die über wissenschaftliche Qualität entscheiden: Ergebnisse und Diskussion. So viel schon mal vorab: Im Ergebnisteil präsentierst du nüchtern, was du gefunden hast. Im Diskussionsteil erklärst du, was das bedeutet – im Licht der Theorie und anderer Studien. Gerade die Diskussion ist der Ort, an dem neues Wissen entsteht. Hier wird’s wissenschaftlich.
Ergebnisteil schreiben: neutral, präzise, ohne Deutung
Ziel: Die Befunde klar, vollständig und reproduzierbar darlegen – ohne Interpretation.
Was gehört hinein?
- Strukturierte Darstellung deiner Befunde passend zu deinen Forschungsfragen/Hypothesen (gleiche Reihenfolge wie in Methode/Fragestellungen).
- Kerneffekte/-muster (z. B. Mittelwerte, Effekte, Zitate, Codes, Kategorien).
- Tabellen/Abbildungen mit sprechenden Titeln und knappen Bildunterschriften.
- Statistische Kennzahlen (z. B. b, SE, p, CI, Effektgrößen; bei Quali: Code-Häufigkeiten, repräsentative Zitate).
- Robustheits-/Zusatzanalysen (nur das Ergebnis, nicht die Interpretation).
Was gehört nicht hinein?
- Keine theoretische Einordnung („das bestätigt X“).
- Keine Spekulationen („möglicherweise wegen …“).
- Keine Praxisempfehlungen.
Mini-Beispiel (quantitativ):
„Teilnehmende der Interventionsgruppe erzielten höhere Werte im Wohlbefinden (M = 4,8, SD = 0,9) als die Kontrollgruppe (M = 4,2, SD = 1,0), t(198) = 3,10, p = .002, d = 0,44.“
Mini-Beispiel (qualitativ):
„Wir identifizierten drei Hauptkategorien: (1) Arbeitsbelastung, (2) Teamklima, (3) Autonomie. Die Kategorie Teamklima umfasste 27 codierte Segmente (12 Interviews). Beispielzitat: ‚Seit dem neuen Leitungsteam tauschen wir uns offener aus.‘ (I07)“
Diskussionsteil: Theorie und Empirie in den Dialog bringen
Ziel: Deine Befunde erklären und bedeuten lassen – im Spiegel der Literatur. Hier zeigst du, wie deine Ergebnisse das bestehende Wissen bestätigen, erweitern oder widersprechen. Dieser Rückbezug macht die Arbeit wissenschaftlich relevant.
Empfohlene Grundstruktur
- Kurze Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse (2–5 Sätze, keine Details wiederholen).
- Rückbindung an Theorie und Literatur – für jedes Kernresultat:
- Passt es zu den Erwartungen/Hypothesen?
- Welche Studien sagen Ähnliches, welche etwas anderes?
- Was lernen wir neu? (Mechanismus, Grenze, Kontext)
- Wenn Erwartungen nicht erfüllt sind: alternative Erklärungen prüfen
- Messprobleme? Kontext-/Stichprobeneffekte? Moderatoren?
- Methodik/Design (z. B. Power, Verzerrungen)
- Theoriegrenzen (fehlende Annahmen, Boundary Conditions)
- Limitationen – ehrlich, konkret, mit Blick auf Einflussrichtung
- Wie könnten sie Ergebnisse verzerren (Über-/Unterschätzung)?
- Was wurde trotzdem stark gelöst (z. B. Triangulation)?
- Implikationen
- Theorie: Modell schärfen? Neue Variable? Präziser Geltungsbereich?
- Praxis/Policy: Was sollten Akteur:innen tun/ändern? Bedingungen, unter denen es wirkt.
- Methode: Was war nützlich am Vorgehen (z. B. Mixed Methods, Messinstrument)?
- Ausblick/Forschungsperspektiven
- Konkrete, prüfbare Vorschläge (Variablen, Designs, Populationen).
Formulierungs-Beispiele
Kurze Ergebnis-Recap:
„Zusammenfassend zeigten sich (a) höhere Wohlbefindenswerte nach der Intervention und (b) keine signifikanten Unterschiede bei beruflicher Erschöpfung.“
Rückbindung an Theorie/Literatur:
„Der Wohlbefindenseffekt entspricht den Vorhersagen des Selbstbestimmungstheorie-Rahmens (Deci & Ryan), wonach Autonomieunterstützung positive Affekte fördert. Ähnliche Größenordnungen berichten auch Müller et al. (2022). Die ausbleibende Reduktion von Erschöpfung widerspricht jedoch Befunden von Li & Chen (2021), was auf Unterschiede in Interventionsdauer und Ausgangsbelastung hindeuten könnte.“
Alternative Erklärungen:
„Eine mögliche Erklärung ist die kurze Interventionsdauer (4 Wochen). Zudem könnte das hohe Ausgangsniveau der Erschöpfung Decken-/Bodeneffekte begünstigt haben. Explorative Analysen deuten auf Moderation durch Teamklima hin (siehe Anhang).“
Limitationen (präzise):
„Die freiwillige Teilnahme kann zu Selbstselektion führen; Effekte könnten in stärker belasteten Teams geringer ausfallen. Messwiederholungen über 3 Monate würden Stabilität besser abbilden.“
Implikationen (Theorie & Praxis):
„Theoretisch legt der Befund nahe, Autonomieunterstützung als proximalen Mechanismus in Modellen zu verankern, während Erschöpfung vermutlich distalere oder mehrdimensionale Interventionen erfordert. Praktisch sollten Führungskräfte zunächst Autonomie- und Feedbackroutinen stärken; bei Erschöpfung sind ergänzende Ressourcen (Workload-Reduktion, Erholungszeiten) nötig.“
Zwei bewährte Diskussions-Layouts
Hypothesenorientiert (quantitativ)
- Recap in 3–5 Sätzen
- H1: Befund → Abgleich mit Theorie → Literaturvergleich → Bedeutung
- H2: …
- Unerwartete Befunde/Nullbefunde → alternative Erklärungen
- Limitationen
- Implikationen (Theorie, Praxis, Methode)
- Ausblick
Themenorientiert (qualitativ/Mixed Methods)
- Recap in 3–5 Sätzen
- Thema/Kategorie 1 → theoretische Linse → Literaturbezug → Was ist neu?
- Thema/Kategorie 2 → …
- Integration der Stränge (z. B. wie Quali Mechanismen für Quant-Effekte liefert)
- Limitationen
- Implikationen (Theorie, Praxis)
- Ausblick
Häufige Fehler – und wie du sie vermeidest
- Interpretation schon in den Ergebnissen: Streng trennen. Deutung gehört in die Diskussion.
- „Nacherzählen“ ohne Theoriebezug: Jede Hauptaussage braucht einen klaren Link zur Literatur.
- Vage Limitationen: Immer sagen, wie sich die Limitation auf das Ergebnis auswirken könnte.
- Generische Implikationen: Mache es konkret (Wer? Was? Unter welchen Bedingungen?).
- Keine Effektgrößen/Zitate im Ergebnis: Liefere Substanz (Kennzahlen, repräsentative Belege).
- Kein roter Faden: Halte die Reihenfolge der Forschungsfragen/Hypothesen durch.