Abschlussarbeit richtig strukturieren: Vorgaben verstehen & sicher anwenden (IMRaD)

Viele Studierende glauben, die Struktur einer Abschlussarbeit sei ein kreativer Akt. In Wahrheit ist sie in den meisten Studiengängen vorgegeben – oft als Word-Vorlage oder Leitfaden. Dein Job ist nicht, das Rad neu zu erfinden, sondern präzise zu verstehen, wie die Maske gemeint ist, und deine Inhalte sauber einzupassen.

Dieser Beitrag zeigt dir, wie du Vorgaben sicher interpretierst, typische Abweichungen (z. B. Ergebnisse vs. Diskussion) erkennst und deine Arbeit ohne Reibungsverluste in die Struktur bringst.


Grundprinzip: Struktur ≠ Kunst (bis Ebene 2/3)

Die meisten Vorlagen sind Derivate von IMRaD (Introduction–Methods–Results–and Discussion).

Wichtig: Begriffe und Zuschnitte variieren je nach Institut. „Diskussion“ kann z. B. eigenständig sein oder mit „Ergebnisse“ verschmolzen. „Theorie“ kann „Related Work/Literaturüberblick“ heißen.

Deine Aufgabe: die Intention hinter den Labels verstehen – nicht die Label selbst verteidigen.

Merksatz: Struktur replizieren, nicht komponieren. Kreativität gehört in die Inhalte, nicht in die Kapitelarchitektur.


Schritt 1: Vorlage wirklich verstehen

  1. Dokumente sammeln: Prüfungsordnung, Leitfaden, Word-/LaTeX-Vorlage, Beispielarbeiten des Instituts.
  2. Begriffe klären:
    • „Theorie“, „Stand der Forschung“, „Related Work“ – meinen sie dasselbe?
    • Sind „Ergebnisse“ und „Diskussion“ getrennt oder kombiniert?
    • Gibt es ein eigenes „Fazit/Schlussfolgerungen“?
    • Wo gehören „Implikationen/Limitierungen“ hin?
  3. Seiten/Kürzeln beachten: Häufig gibt es Umfangsrichtwerte pro Kapitel.
  4. Notiere Zweck-Sätze pro Kapitel (1 Zeile): „Dieses Kapitel zeigt …“ – das verhindert Fehlzuordnungen.

Schritt 2: Deine Inhalte mappen (Scope-Fit)

Die Struktur soll deine Forschungsfrage spiegeln. Mache einen schnellen Scope-Test:

  • Kernkonzepte der Forschungsfrage identifizieren.
  • Prüfen, ob jedes Konzept in Theorie, Methode (Messung!), Ergebnissen und Diskussion vorkommt.
  • Alles, was nicht der Forschungsfrage dient, fliegt raus oder wandert in Limitierungen/Ausblick.

Beispiel: Kommt „Motivation“ in Frage & Relevanz vor, brauchst du Motivation als Absatz in Theorie, eine Messung in Methode, Befunde in Ergebnisse und Interpretation/Implikationen in Diskussion.


Schritt 3: Häufige Abweichungen – und wie du sie löst

  • Ergebnisse vs. Diskussion
    • Trennung verlangt? → Ergebnisse: Was kam raus (ohne Deutung). Diskussion: Was bedeutet das?
    • Kombiniert? → Ordne jeden Befund direkt mit kurzer Interpretation; Ausblick/Limitierungen ans Ende.
  • Theorie vs. Related Work
    • Theorie: Begriffe/Modelle definieren, Bezüge herstellen.
    • Related Work: empirische Befunde und Positionen zusammenfassen.
    • Oft zusammengelegt: Dann erst Begriffe, dann empirische Hauptergebnisse der Literatur.
  • Methode vs. Methodologie
    • Methodologie (Begründung des Ansatzes) vs. Methode (konkretes Vorgehen: Design, Stichprobe, Instrumente, Analyse).
    • Wenn nur „Methode“ gefordert: kurz zur Methodologie; Fokus auf Replizierbarkeit.
  • Fazit / Schlussfolgerungen / Implikationen
    • „Fazit“ = Kernaussage + Beitrag.
    • „Schlussfolgerungen/Implikationen“ = Konsequenzen für Praxis/Policy/Forschung.
    • Wenn beides existiert: Fazit schlank, Implikationen separat mit Bullet-Points.

Schritt 4: Micro-Outline mit Key Sentences

Struktur steht? Erzeuge jetzt eine Bare-Bones-Version (ohne Prosa):

  • H1/H2/H3 nach Vorlage, keine kreativen Kapitel-Namen.
  • Pro geplantem Absatz eine Key Sentence (1 Satz = 150–250 Wörter später).
  • Platzhalter für Tabellen/Abbildungen setzen (z. B. „Tab1: Stichprobe“).

So lässt sich Feedback früh einholen – auf Logik, nicht auf Stil.


Schritt 5: Früh in die Sprechstunde

Je früher du Klarheit hast, desto weniger Umschreiben später. Geh mit konkreten Fragen zu Betreuer:in:

Agenda:

  • Kapitelzuschnitt: „Sind Ergebnisse/Diskussion getrennt zu führen?“
  • Platz der Implikationen: „In Diskussion oder eigenes Kapitel?“
  • Theorie vs. Related Work: „Soll ich beides trennen?“
  • Methodenteil: „Wie tief soll die Auswertung beschrieben werden (z. B. Modelle, Software, Parameter)?“
  • Formalia: Umfang pro Kapitel? Abbildungs-/Tabellenrichtlinien?
  • Beispielarbeiten: 1–2 empfohlene Musterthesen?

Bringe deine Bare-Bones-Gliederung (mit Key Sentences) mit – das beschleunigt die Rückmeldung enorm.


Typische Fehler (und schnelle Fixes)

  • Kreative Kapitelstruktur trotz klarer Vorlage → Fix: Labels der Vorlage übernehmen.
  • Scope Creep (Themen, die nicht in der F-Frage auftauchen) → Fix: Streichliste führen.
  • Diskussion wird ErgebnisteilFix: Ergebnisse = Daten, Diskussion = Bedeutung.
  • Zu späte KlärungFix: Sprechstunde vor dem Schreiben, nicht danach.
  • Kein Micro-PlanFix: Key Sentences pro Absatz anlegen, erst dann formulieren.